Jochen Warth ist einer, der unabhängig von gängigen Stilen und Vorbildern kühn formuliert

Dr. Barbara Lipps-Kant zur Einführung in die Ausstellung
„Mahmut Celayir, Jürgen Klugmann, Jochen Warth – drei Künstler“
in der Kunststiftung Pro Arte, Ulm, 2002


Jochen Warth ist einer, der unabhängig von gängigen Stilen und Vorbildern kühn formuliert Es entstehen Zeichen, die in ihrer reduzierten Gestalt und Schönheit bestechen. Neben Brancusi und Chillida ist es der Karlsruher Franz Bernhard, der ihn in seinem Schaffen fasziniert. Daneben übte altes Werkzeug eine unausgesprochene Anziehungskraft aus. Doch ist in dem orginellen Skulpturenwerk nichts von all dem direkt auszumachen. Gelegentliche Anklänge entspringen dem Zufall. Im Laufe der Jahre hat der Künstler in dieser strengen, an Klarheit kaum zu überbietende Sprache ein erstaunliches Alphabeth geschaffen, das, ganz auf die Erkundung von Material, Masse und Raum ausgerichtet, das Mal in den Mittelpunkt rückt. „Was sich als Ansammlung von gebogenen Körpern, Spitzen, geschliffenen Flächen, Röhrengebilden und anderen Formen darstellt, ist das verklausulierte Vokabular eines Künstlers, der mittels Materialauslotung und Formenspiel Grundbedingungen menschlichen Seins erforscht.“ Dieses Statement, 1994 im Text seines ersten Kataloges enthalten, gilt heute wie ehemals. Seine Sprache ist seither noch strenger und im Material noch reduzierter geworden. Die Male und Zeichen greifen weiter in den sie umgebenden Raum. Die dargestellten Bewegungen sind womöglich noch kühner, noch beschwingter auch als zuvor. Doch die von den einzelnen Kunstwerken ausgehende Faszination besteht in ungebrochener Stärke und Kraft. Gebogene, durch Einschnitte unterteilte geschweißte Stahlteile, in zweifacher Anordnung diskutieren das Thema der verletzten Fläche, das in wie geknickt wirkenden, kompakten Röhrenabschnitten und deren transparenter Vision eine Fortsetzung findet. Gebogene Röhren oder schmal aufragende Gefäße, die seit langem ein künstlerisches Thema sind, bestimmen in Gruppen den Raum, künden von geheimnisvollem Innen und Außen, nehmen in einem urtümlichen Sinne maß, verheißen den tiefen Ton des geblasenen Büffelhorns.

Jochen Warth erweist der Welt in einer mythischen Sprache Reverenz. Archaisches klingt an, wenn er Stahlblech mit Schweißnähten scheinbar mühelos aneinanderzwingt. Seine Antwort auf die geschaute Mannigfaltigkeit der Natur ist die klare Form, ist das Zeichen, das gelegentlich auch Fundstückcharakter besitzt.

„Fremd und gleichzeitig vertraut, geben die Körper Einblick in Denkweisen, Empfindungswelt und auch Träume einer Zeit, die als schnellebig, unpersönlich und technisiert gilt. Technikmetapher nicht im eigentlichen Sinn, vielmehr im erweiterten Verständnis des Begriffs, d.h. Technik assoziierend und über die spezielle Aufgabenstellung, das gewählte Material und eine werkgerechte Ausführung transportierend, verkörpern diese Plastiken Zeichen einer Zeit, die der technischen Norm verfallen scheint, einer Zeit die die Norm über den Menschen stellt, einer Zeit ohne Träume. Jochen Warth, einer jener visionären Künstler, hat von je her seine Aussage mit Hilfe der Dialektik gewonnen. Er stellt die Klarheit der Form über alles. Doch trägt er damit nicht zur Beschwörung von gefühlloser Kälte bei. Mit seine Zeitzeichen leistet er. vielmehr Hilfestellung. Es sind keine Male der Bedrohung. Es sind Signale des Aufbruchs.“ Diese Sätze finden sich am Schluss meines 1994 erschienenen Textes über den Künstler. Sie besitzen auch heute uneingeschränkte Gültigkeit.