Monumente aus Eisen und Stahl

Dr. Barbara Lipps-Kant über Jochen Warth


Wie denkwürdige Zeichen aus vergangener Zeit muten sie an, die gekrümmten, in der Bewegung verharrenden Objekte aus Eisen oder Stahl. Sie stehen, liegen oder hängen, allein oder in Gruppen. Die Oberflächen, von Spuren der Witterung rostig, in Schattierungen warmer Brauntöne erglühend, oder bisweilen glänzend poliert und wie Spiegel scheinend, schließlich auch in dunklen Tönen gehalten und von der gleichmäßigen Markierung der Schweißpunkte gezeichnet, diese Oberflächen verleihen den Werken eine eigenartige Physiognomie.

Es sind sperrige, karge Arbeiten mit tief verborgenem Sinn, die sich – falls ein Realitätsanspruch vorliegt – dem Zugriff des Betrachters weitgehend entziehen. Schönheit gepaart mit Unnahbarkeit. Es sind Werke, denen das gewählte Material vordergründig Präsenz verleiht, die darüber hinaus Schwerelosigkeit atmen. Vor allem aber sind es Verherrlichungen einer Idee. Metaphern der gestundeten Zeit. Metaphern einer in sich ruhenden, fließenden Bewegung.

Jochen Warths erstaunliche Entwicklung als Bildhauer begann Anfang der achtziger Jahre mit dem Material Holz.

Bald setzte er den gewachsenen Werkstoff in Beziehung mit Eisen und Stahl. Bedeutende Aussagen entstanden. Seit 1990 arbeitet er nunmehr in Stahl. Eisengüsse sind selten. Vereinzelt wurden Stahlplastiken in Betonguss vervielfältigt. Er verwendet für seine Objekte Stahlbleche von 2 – 5 mm Stärke. In Form geschnitten und gezwungen, d.h. geschweißt, ummantelt es Hohlräume, die, mit Öffnungen versehen – vgl. die Gruppe von acht Stehenden, oben chthonisch zulaufenden Gefäßen oder Hörnern – oder den Raum ganz einschließend – vgl. die beiden liegenden Keilformen – eine dezidierte Aussage über Masse und Raum darstellen. Kompakte Schwere signalisierend, stellen die Kunstwerke diese Eigenschaften sogleich wieder in Frage.

Kühn ein eiserner Corpus etwa, dem zwei lange, in entgegengesetzte Richtung weisende Arme oder Tentakel entwachsen; wie selbstverständlich hingegen die Reihung dreier Hörner von einem mit zwei langen Fingern aus der Wand nach unten weisenden Objekt; oder der Blick in das Atelier, welch reiche Offenbarung! Eine lautstarke Beschwörung sich neigender, sich aufbäumender, tanzender oder sich emporreckender Eisenplastiken!

Immer anders, immer neu, in Größe und Form variierend, und dennoch Alphabeth einer gemeinsamen Sprache!

Die Gestalt der einzelnen Arbeiten ist stets streng und aufs äußerste vereinfacht, die Aussage klar, ja bisweilen in dieser Klarheit bestürzend. Das geht soweit, dass Assoziationen kaum möglich sind. Wenn sich dennoch auf den ersten Blick Gedanken an Stimmgabeln, Blasinstrumente, Beile, Sensen, Hieb-oder Stichwaffen einstellen, so entpuppen sie sich sehr schnell als Täuschung, als Eselsbrücke allenfalls, als ohne Bedeutung. Was zählt, ist die Form jeder einzelnen Plastik, ihre lastende Schwere etwa, ihre grazile Bewegung, eine Drehung außerhalb von Raum und Zeit, ihre Rebellion auch, kurz: ihr Ausdruck und ihre innere Wahrheit. Jochen Warth erweist sich als Finder neuer Formen, die er fremdartigen Gebilden einschreibt, Mal für Mal, mit magischer Kraft.

Lang ist dabei die Phase der geistigen Auseinandersetzung, der eigentlichen Wortfindung, kurz – eine Woche vielleicht, je nach Größe und Zahl – jene der Ausführung.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Fassen sie doch, Stück für Stück, Welt in eindringlich klaren Metaphern. Die extreme Hinterfragung des Materials Eisen bzw. Stahl ist dabei Mittel zum Zweck.